Wirre Philosophie über den Sinn des Zurückkehrens - 22.08.11



Was ist eigentlich der falsche Zeitpunkt? Wer ist auf die Idee gekommen, dass es einen falschen Zeitpunkt geben kann? Gibt es nicht für alles eine Erklärung? Gibt es denn gar keinen Sinn im Leben? Was ist mit, hier… Dings… Schicksal und so weiter?! Ich wiederhole mich, aber wer ist auf den Schwachsinn mit dem falschen Zeitpunkt gekommen? Das ist die wohl schlechteste Ausrede überhaupt. Dabei wollte doch nur jemand vor den eigenen Problemen wegrennen. Nein, das nicht mal unbedingt: Sondern sich einfach nur nicht damit auseinandersetzen.
Zurück bleibt ein anderer Jemand und ist erst mal platt. Und dann einsam. Und dann sehnsüchtig.

Sehnsucht.
         Sucht.
 Jemand ist verdammt süchtig. Nach dem Gefühl. Nach dem Geruch. Nach der Geborgenheit. Nach der Ruhe. Nach der Gewissheit angekommen zu sein. – Gut, diese Gewissheit war im Endeffekt ein Fall für den Restmüll, aber allein die Vorstellung an sich hatte schon ausgereicht, um Jemand voll auf den Geschmack zu bringen. Dabei hatte sich Jemand ganz gut im Griff. Aber wie das so ist: Wenn man sich einmal darauf einlässt. Wenn man einmal Blut leckt. Wenn man einmal sein Herz öffnet. Verdammt naiv, dabei ist Jemand nicht einmal blond. Tragisch.
Und jetzt hängt Jemand auf diesem gottverdammten Trip fest. Sehnsucht macht abhängig.

Sehnsucht ist Abhängigkeit.
Abhängig von einem Gefühl, das scheinbar so flüchtig wie ein Zwinkern ist und doch so verheerend wie ein Faustschlag sein kann. Da sitzt man dann, Faust auf Auge, und ist zu perplex, um einen klaren Gedanken formulieren zu können. Das Ende vom Lied: Um das blaue Auge zu verstecken, setzt man die rosarote Brille auf und redet sich ein, dass die Bilder so verschwommen sein müssen, dass es wirklich alles so perfekt ist! Und irgendwann ist das blaue Auge weg, die Brille weg und das eigene Leben im Arsch, weil man jedes Problem übersehen wollte. Probleme sind schließlich nicht rosa und schon gar nicht verschwommen, sie haben haifischzahnscharfe Ecken und wenn man nicht aufpasst, muss ein Pflaster her. Da man oft nicht aufpasst, muss auch oft ein Pflaster her, aber statt mal den Ursachen auf den Grund zu gehen – Gleichgewichtsprobleme, vererbte Ungeschicklichkeit… Beziehungsunfähigkeit?!  – haut man sich lieber ein Schmerzmittel hinter. Das ist meistens ziemlich lecker und strohdoof, aber für eine Nacht langt’s allemal. Soll ja keine Probleme lösen, soll ja nur Probleme verdrängen.
Und wie war das noch mit der Sehnsucht? Die kommt mit den Schmerzen. Keine Schmerzen, keine Sehnsucht. Suchtbekämpfung – mal anders.  Also ein Schmerzmittel nach dem andern. Nicht nachdenken, einfach oral … einnehmen – wie es auf der Packung steht. Doch alles hat ein Ende, auch Schmerzmittel sind irgendwann verbraucht oder vergeben. Und plötzlich steht jemand anders Jemand wieder gegenüber. Ohne rosarote Brille aber mit allen Problemen.
Hauptproblem: Der Grund der Sehnsucht – von Jemand natürlich, nicht von jemand anderem – und dementsprechend der Grund für die ganzen Schmerzmittel. Wo soll man da nur anfangen? Gleich beim ersten Date, also Urschleimanfang, oder dem ersten Kuss, der ersten Nacht, dem ersten gemeinsamen angebrannten Essen? Oder allen anderen nicht-ersten Sachen, die aber gerade deshalb so schön waren, weil schon Zeit vergangen war, weil man doch ab und zu die rosarote Brille absetzen wollte? Weil man anfing zu vertrauen? Auch ein Kapitel für sich: Das Vertrauen, was ja offensichtlich im Klo runtergespült sein sollte, ist immer noch da.

Einfach weil.
Einfach weil man nicht sauer sein kann. Einfach weil man nicht im Streit auseinander gegangen ist. Einfach weil man eine Entschuldigung braucht.  Ein Vertrauen, dass weder  Jemand noch jemand anderes verdient, weil beide wochenlang den Schmerzmitteln frönten.  Aber man vertraut einfach. Weil. Es ja der falsche Zeitpunkt war. Und weil Monate später schon wieder andere Zeitpunkte am Start sind. Könnte ja sein, dass der richtige dabei ist. Nur eins sollte Jemand sich bewusst machen: Wenn man mit jemandem einmal auseinandergegangen ist, weil es „der falsche Zeitpunkt“ war, dann sollte man sich ernsthaft fragen, ob es sich lohnen würde, auf den richtigen zu warten. Oder ob Der Richtige vielleicht jemand anders zu einem anderen Zeitpunkt ist. Denn wer ewig wartet, vertrocknet. Im Herzen und in anderen Körperteilen. Und das ist nie wünschenswert. Denn für den Notfall gibt es haufenweise billige Schmerzmittel. Für eine Nacht. Strohdoof, aber ohne Schmerzen. 








(c) Johanna Erle

Rotzmoment - 06.08.11


Wenn die größten Klischees plötzlich Realität werden, wie geht man damit um? Da passt man einmal nicht auf und schon findet man sich heimlich rauchend am offenen Fenster sitzen, man selbst die personifizierte Melancholie und fragt sich, wie lohnend es wäre sich einfach runterzustürzen. 
Nicht weil man suizidgefährdet ist, sondern weil man gerade gedankenverloren in die Nacht starrt und sich fühlt wie eine dieser Marmorskulpturen aus dem Museum, die ebenso gedankenverloren aber rauchfrei auf ihrem Steinsockel sitzt, das Kinn auf die Hand, die Hand aufs Knie gestützt, und in die weite Ferne schmachtet bzw. in ihrem Fall die Museumswand anglotzt. 
 
Das ist ja nun nicht der ideale Samstagabend, denkt man sich.  Aber was soll’s. Das Leben ist kein Ponyhof, die Kippenschachtel ist noch lang nicht alle und die Schnulzenmusik zieht so schön runter. 
Also raucht man noch eine und gibt sich der Melancholie hin. Besser die Lunge tot als die Leber, versucht man sich in Gedanken bei jemandem zu entschuldigen, den es eh nicht interessiert. Der innere Schweinehund war schon immer eine faule Sau. Schert sich sowieso einen Dreck um gute Laune. Na dann. An die Kippe, zu die Augen, die Musik aufgedreht und in die Nacht geweint. 
Wann hat man dazu schon die Gelegenheit? – Außer immer.




(c) Johanna Erle